Überwachung von Arbeitnehmern durch Detekteien: Neue Leitlinien des Bundesarbeitsgerichts
Arbeitgeber können unter bestimmten Bedingungen eine Überwachung rechtfertigen, jedoch nur unter strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben. Dieses Urteil (BAG, Urt. v. 25.07.2024 - Az.: 8 AZR 225/23) ist nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für Arbeitnehmer von großer Bedeutung, da es die Grenzen und Möglichkeiten der Überwachung am Arbeitsplatz verdeutlicht.
Hintergrund des Falls
Der Kläger war seit 2009 bei einem Vertriebsunternehmen beschäftigt. In den Jahren des Arbeitsverhältnisses kam es wiederholt zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, einschließlich Kündigungen und Versetzungen, die teilweise vor Gericht verhandelt wurden.
Im Februar 2022 meldete sich der Kläger erneut arbeitsunfähig krank. Die Arbeitgeberin hegte jedoch den Verdacht, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht sei. Sie beauftragte daraufhin eine Detektei mit der Überwachung des Klägers, um Klarheit zu erlangen. Im Rahmen der Observation wurden unter anderem Videoaufnahmen erstellt, die den Kläger bei Aktivitäten zeigten, die nicht mit seiner angegebenen Erkrankung vereinbar schienen.
Daraufhin machte der Kläger einen immateriellen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO geltend. Er argumentierte, dass die Verarbeitung der Daten, insbesondere die Videoaufnahmen, rechtswidrig gewesen sei und einen erheblichen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht darstelle.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das BAG lehnte den Schadensersatzanspruch des Klägers ab. Es stellte klar, dass die Verarbeitung der im Rahmen der Überwachung erhobenen Daten, einschließlich der Videoaufnahmen, datenschutzrechtlich zulässig war. Maßgeblich für diese Entscheidung waren die folgenden Erwägungen:
- Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO
Das Gericht stellte fest, dass die erhobenen Daten als Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO einzustufen sind. Gesundheitsdaten sind besonders schutzwürdig und dürfen nur unter strengen Voraussetzungen verarbeitet werden. - Verdacht und Verhältnismäßigkeit
Die Observation wurde durch einen konkreten Verdacht auf eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt. Die Arbeitgeberin hatte keine anderen milderen Mittel zur Verfügung, um den Verdacht aufzuklären. Das Gericht betonte die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen. - Rechtfertigung der Datenverarbeitung
Die Verarbeitung der Gesundheitsdaten durch die Detektei erfolgte im Rahmen der Ausnahmevorschriften des Art. 9 Abs. 2 DSGVO. Das berechtigte Interesse der Arbeitgeberin an der Aufklärung des Verdachts überwog in diesem Fall das Interesse des Klägers am Schutz seiner personenbezogenen Daten.
Relevanz für die Praxis
Das Urteil des BAG gibt wichtige Leitlinien für die Überwachung von Arbeitnehmern vor:
- Für Arbeitgeber:
Arbeitgeber dürfen bei einem konkreten Verdacht auf Fehlverhalten eine Überwachung durch Detekteien durchführen. Es ist jedoch zwingend erforderlich, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu prüfen und sicherzustellen, dass keine milderen Mittel zur Aufklärung des Verdachts existieren. Zudem müssen die datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere die Bestimmungen der DSGVO, strikt eingehalten werden. Eine unberechtigte oder unverhältnismäßige Überwachung kann Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. - Für Arbeitnehmer:
Arbeitnehmer sollten sich ihrer Rechte bewusst sein. Wenn sie den Verdacht haben, dass sie unzulässig überwacht wurden, können sie rechtliche Schritte einleiten und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen. In jedem Fall ist es ratsam, bei Unsicherheiten rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen.
Das Urteil zeigt, wie sensibel der Umgang mit Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz ist. Es betont die Notwendigkeit eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers und den Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich der rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst sein, um Konflikte zu vermeiden oder effektiv zu lösen.
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