
BGH erleichtert Kündigung wegen Eigenbedarfs – Vermieter dürfen Eigenbedarf auch selbst schaffen
Das Urteil bringt für Vermieter mehr Handlungsspielraum, wirft aber auch Fragen zur Abgrenzung zwischen zulässigem Eigenbedarf und bloßer wirtschaftlicher Verwertungsabsicht auf.
Worum ging es in dem Fall?
Der Vermieter bewohnte selbst eine Wohnung in dem Gebäude, in dem sich auch die Wohnung des Mieters befand. Er plante umfangreiche Umbauarbeiten, um seine eigene Wohnung mit dem Dachgeschoss zu einer größeren Einheit zu verbinden. Während der Bauphase wollte er in die Mietwohnung umziehen, um danach die neu geschaffene Einheit zu verkaufen.
Das Landgericht sah hierin lediglich ein wirtschaftliches Verwertungsinteresse und wies die Kündigung ab. Der BGH hob diese Entscheidung auf. Nach Auffassung des Gerichts kann auch ein „selbst geschaffener“ Eigenbedarf einen Kündigungsgrund darstellen, wenn er auf nachvollziehbaren und ernsthaften Gründen beruht.
Was bedeutet das Urteil für Vermieter?
Mit dieser Entscheidung erweitert der BGH den Anwendungsbereich der Eigenbedarfskündigung. Entscheidend ist nicht, ob der Bedarf ursprünglich bestand oder erst infolge einer geplanten Veränderung entsteht – sondern ob das Vorhaben ernsthaft, vernünftig und realistisch ist.
Das stärkt die Gestaltungsfreiheit von Eigentümern, insbesondere bei Sanierungen, Umbauten oder Neuordnungen des eigenen Wohnraums. Gleichzeitig müssen Vermieter ihre Planungen sorgfältig dokumentieren und plausibel begründen, um Missbrauchsverdacht zu vermeiden.
Neue Chancen – aber auch Grenzen
Das Urteil schafft mehr Flexibilität für Vermieter, die ihre Immobilie umstrukturieren oder für den eigenen Wohnbedarf anpassen möchten. Es bedeutet aber nicht, dass künftig jede Umbaumaßnahme automatisch eine Kündigung rechtfertigt.
Gerichte werden weiterhin prüfen, ob der Eigenbedarf tatsächlich besteht oder lediglich vorgeschoben ist. Dabei sind vor allem folgende Punkte entscheidend:
- Konkrete Planung: Der Umbau oder die Nutzung muss detailliert und nachvollziehbar dargelegt werden.
- Ernsthafte Umsetzung: Finanzierungsnachweise, Bauanträge oder Zeitpläne sollten vorliegen.
- Plausibilität: Der Umbau darf nicht nur dazu dienen, den Mieter loszuwerden oder den Verkaufspreis zu steigern.
Leicht kritischer Blick auf die Entscheidung
Auch wenn das Urteil vermieterfreundlich wirkt, ist es aus rechtlicher Sicht nicht frei von Spannungen. Das Mietrecht soll den Mieter vor willkürlichen Kündigungen schützen – insbesondere, wenn wirtschaftliche Motive überwiegen.
Im vorliegenden Fall lag der Fokus letztlich auf einer gewinnorientierten Umgestaltung der Immobilie. Der Vermieter schuf den Eigenbedarf also selbst, um die Wohnung anschließend besser verkaufen zu können. Diese Konstellation berührt den Kern des Mieterschutzes: Wohnraumsicherung und soziale Stabilität.
Die Entscheidung zeigt jedoch, dass der BGH hier bewusst einen realistischen Eigentümermaßstab anlegt. Wenn die geplante Nutzung nachvollziehbar und wirtschaftlich sinnvoll ist, soll sie nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil der Vermieter daraus später einen Vorteil zieht.
So entsteht ein fein austariertes Gleichgewicht zwischen Eigentumsfreiheit und Mieterschutz – mit einer leichten Neigung zugunsten des Vermieters.
Praktische Hinweise für Vermieter
- Planung frühzeitig dokumentieren:
Legen Sie alle relevanten Unterlagen (Baupläne, Kostenschätzungen, Finanzierungszusagen) ab. So können Sie im Streitfall die Ernsthaftigkeit Ihrer Absicht nachweisen. - Kündigung sorgfältig begründen:
Schildern Sie klar, warum der Eigenbedarf besteht, welche Nutzung vorgesehen ist und wie diese umgesetzt werden soll. Allgemeine oder vage Formulierungen genügen nicht. - Mieter rechtzeitig informieren:
Eine transparente Kommunikation kann unnötige Konflikte vermeiden. Oft lassen sich einvernehmliche Lösungen – etwa Abfindungen oder Umzugshilfen – finden. - Härtefälle prüfen:
Auch bei berechtigtem Eigenbedarf kann der Mieter nach § 574 BGB Widerspruch erheben, wenn der Umzug für ihn eine unzumutbare Härte bedeutet. Diese Möglichkeit sollte bei der Planung berücksichtigt werden. - Professionelle Beratung einholen:
Jede Eigenbedarfskündigung muss individuell geprüft werden. Fehler in der Begründung führen häufig zur Unwirksamkeit. Eine anwaltliche Begleitung stellt sicher, dass die Kündigung rechtssicher und durchsetzbar bleibt.
Der BGH hat die Anforderungen an eine Eigenbedarfskündigung erneut konkretisiert – und Vermietern mehr Flexibilität eingeräumt. Auch ein selbst geschaffener Eigenbedarf, etwa durch Umbauten oder geplante Wohnraumerweiterungen, kann künftig ein legitimer Kündigungsgrund sein.
Gleichzeitig bleibt die Grenze zur unzulässigen wirtschaftlichen Verwertung bestehen. Wer Eigenbedarf geltend machen will, sollte seine Planung sorgfältig vorbereiten, plausibel begründen und rechtlich prüfen lassen.
Damit stärkt das Urteil die Handlungsfreiheit verantwortungsbewusster Vermieter, ohne den Mieterschutz vollständig aufzugeben – ein Schritt in Richtung praxisnaher Balance zwischen Eigentum und Wohnraumschutz.
